Tim Eisenlohr
Transkript des Interviews
Liebe Hörerinnen und Hörer, herzlich willkommen zu Drüben und Dann, unserem kleinen DDR- Zeitzeug:innen-Podcast für Jung und Alt. Fünf gebürtige Ost-Berliner:innen berichten über ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Leben in der DDR, dem Verlassen Ost-Berlins und dem Ankommen in West-Berlin. Im Mittelpunkt stehen dabei deren ganz persönliche Alltagserfahrungen, Hoffnungen, Perspektiven und Herausforderungen, verbunden mit dem Ankommen im fremdartigeren Teil der eigenen Heimatstadt. Heute sprechen wir mit Tim Eisenlohr, der als damals 16-Jähriger im Jahr 1989 kurz vor dem Fall der Mauer zusammen mit seiner Familie nach West-Berlin ausreiste. Die Familie hoffte auf eine Alternative medizinische Behandlung für die an Krebs erkrankte Mutter: Eine Ausreise aus humanitären Gründen, wie sie Herr Eisenlohr bezeichnet.
T. Eisenlohr: Mein Name ist Tim Eisenlohr. Ich bin ähm 1973 am 10 April in Berlin Mitte in der Charité geboren und hab bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr auch in Ost-Berlin gelebt. Ähm ich war Mitglied der Ost-Berliner Umweltbibliothek, im Alter zwischen 14 und 16 und ähm bin mit meiner Familie im Frühsommer 1989, also noch vor dem Fall der Mauer, übergesiedelt nach West-Berlin.
C. Jacobi: Ok. Und ähm obwohl das Hauptthema, das große Überthema unseres Podcast das Ankommen in West-Berlin ist, würde ich Sie trotzdem gerne bitten ihre Lebensumstände in der DDR generell und auch die vor der Ausreise zu beschreiben.
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T. Eisenlohr: Ja also ähm, ich komme aus einem würde ich sagen recht privilegierten Elternhaus. Das heißt, mein Vater war zu der Zeit, als ich ähm auf die Welt kam, ähm, hatte er einen ganz guten Job als Manager oder Organisator für internationale Naturwissenschaftliche Kongresse in Berlin und Dresden, und ähm meine Mutter hatte sich entschieden auf uns Kinder aufzupassen. Also ich habe noch vier weitere Geschwister, weil unsere Eltern damals ähm gar nicht mehr so ähm an diesen Staat glaubten und auch eher dem Staat kritisch gegenüber standen, und ähm nicht wollten dass wir in Kinderkrippe, Kindergarten, Hort indoktriniert werden und deswegen hat sie sich entgegen zu dem Üblichen, dass eben Frauen Vollzeit berufstätig waren in der DDR dafür entschieden ähm zu Hause zu bleiben, was natürlich uns zugute gekommen ist. Und ja ich bin also insofern recht behütet aber auch sehr frei groß geworden. Ich hatte ein Elternhaus, was sich so mal als bürgerlich, liberal, freiheitlich bezeichnen würde. Ähm unsere Eltern haben uns wirklich sehr große Freiräume gelassen, es war ihnen wichtig uns zu mündigen kritischen Menschen zu erziehen und ähm ja also bin ich in ’nem recht behüteten Umfeld großgeworden und ähm konnte meinen eigenen Weg gehen, meine eigenen Entscheidungen relativ früh treffen, war aber auch ein ganz normales Kind natürlich meiner Zeit und ähm ja die Welt, wir haben die Welt sozusagen auf unsere Art und Weise entdeckt. War am Anfang auch nen recht zufriedener Jungpionier, also ich war in dieser sozialistischen Jugendorganisation, später bei den Thälmannpionieren, die vordergründig positiven Leitbilder, war ja eher so was wie wenn man das beschreibt, wie Pfadfinder nur in sozialistisch, haben mich auch angesprochen, ähm das änderte sich jedoch mit der Zeit ähm als ich mich näher mit dem Nationalsozialismus befasste und ähm für mich die Frage im Raum stand wie konnte es so zu so etwas kommen wie dem Holocaust? Ausgelöst wurde das durch ein Mehrteiler der damals im Westfernsehn, ich weiß nicht ARD oder ZDF, kam, ähm über den Holocaust, hieß auch der Holocaust glaube ich, über eine jüdische Familie mit sehr drastischer Bildsprache wo viel gezeigt wurde über diese Vernichtung der jüdischen Menschen und Kultur und das hat mich als Kind, ich war damals acht, sehr traumatisiert und ich habe mich daraufhin sehr stark mit dem Nationalsozialismus auseinandergesetzt, wollte wissen wie konnte das passieren?
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Viel über den Widerstand gelesen, bin dann auch darauf gekommen, dass die ähm auch ne ähnliche Jugendorganisationen jedenfalls in ihrer Struktur hatten die Nazis, die Pimpfe und die Hitlerjugend. Ich habe das nie gleichgesetzt. Das für mich immer noch etwas Anderes, etwas Schlimmeres. Aber wir, die wir das neue andere bessere Deutschland aufbauen wollten, ähm dass wir mit ähnlichen Methoden oder mit ähnlicher, ähm ja, Methoden der Gleichschaltung, Uniformierung arbeiten das hat mich irgendwo irritiert und für mich ähm war relativ früh klar ähm, dass das was da passiert ist im Nationalsozialismus, dieser Holocaust auch eine Folge dieser Gleichschaltung war und dass es nicht erwünscht war Dinge kritisch zu hinterfragen und das erlebte ich halt auch in meiner Pionierorganisation und ich fühlte mich immer unwohler. Aus diesem Grund und hab dann im Alter von zwölf Jahren entschieden aus diesen Thälmannpionieren auszutreten und hab das dann auch gemacht, bin dann zu meinen Lehrern gegangen, die haben natürlich versucht mich umzustimmen und haben auf mich eingeredet und ich hab dann zwei Wochen im Lehrerzimmer fast zugebracht mit einer Traube von ernstzunehmenden Erwachsenen um mich herum die auf mich eingeredet haben „ja Tim was willst du später mal werden?“ und ich so „naja Tierarzt wäre nicht schlecht“ und die dann „ja das kannst du vergessen, mit dieser Einstellung kannst du ja noch nicht einmal Abitur machen, also geschweige denn studieren und wenn du aus dieser Jugendorganisation austrittst bist du auch nicht mehr versichert über die Jugendorganisation, du darfst also auch keine Klassenfahrten oder Ähnliches mitmachen!“ und ähm während das bis zu diesem Zeitpunkt für mich son, auch eine Provokation war, und so ein bisschen auf den Busch klopfen, fühlte ich mich erst durch diese unerwartete Aufmerksamkeit, das war ja eine negative Aufmerksamkeit, aber es war eine Aufmerksamkeit und ein Ernst-genommen-werden auf seine Art und Weise, eher bestätigt in meiner Entscheidung weil ähm, zum einen bin ich eben ein Dickkopf, und zum anderen ist es auch so dass es mich total irritiert hat, dass so diese ernstzunehmenden Autoritäten, so um diesen zwölfjährigen Jungen der ich damals war rumstanden und alleine dieser riesen Aufstand hat mich darin bestärkt, dass da was nicht stimmt und hat mich dazu gebracht, dass ich dann wirklich ausgetreten bin.
#00:07:24#
C. Jacobi: Ich würde hier ganz gerne anmerken, dass ich solch eine Reflektiertheit bereits mit zwölf Jahren schon echt bemerkenswert finde.
T. Eisenlohr: Also ich war ein ziemlich nerdiges Kind, mit Büchern aber ohne Computer sozusagen hab mir ja über viele Dinge mein eigenes Urteil gebildet. Ähm wie gesagt sehr sehr viel gelesen. Wir hatten eine Riesenbibliothek zu Hause wir hatten ja ne große Wohnung in Treptow. Damals ähm natürlich habe ich auch Karl May gelesen und Micky Maus und Sachen die rüber geschmuggelt wurden aber ähm ebend auch Biografien oder Philosophen, Camus oder Sartre oder ähm Kafka oder was auch immer, und ähm war sozusagen schon durch meinen Wissenshunger und ähm auch durch diesen später noch stärkeren Antrieb durch diesen, durch diese Traumatisierung mit diesem Film über den Holocaust, der mich dazu gebracht hat alles zu hinterfragen, mich für alles verantwortlich zu fühlen und ähm für mich war ähm dieses Wissen aneignen auch so ne Art Eigentherapie.
#00:08:31#
C. Jacobi: Und durch Ihr konsequentes Hinterfragen dieser Einstellung würden Sie ihre Schulzeit in der DDR in Gänze als etwas schwieriger in dieser Hinsicht bezeichnen oder bezog sich das ähm nur auf dieses einen Ereignis, also auf den Austritt aus den Pionieren?
T. Eisenlohr: Ne das war eigentlich erst der Anfang. Ähm natürlich ist diesem Austritt aus den Pionieren auch Einiges voraus gegangen, dass ich zum Beispiel einfach Ffragen gestellt habe, die mir relativ harmlos vorkamen. Fragen wurden aber auch oft als Angriff verstanden ähm und dementsprechend wurde reagiert, was eher noch mehr bei mir dazu geführt hat Dinge noch mehr zu hinterfragen und das hat mich ja letztendlich auch dazu geführt da auszutreten. Und später kam natürlich noch mehr dazu als ich dann ausgetreten bin, ähm meine Stasiakte fängt dann auch in Alter von zwölf dann an, war es auch so, dass ich mich dann auch entschieden hatte mich taufen und konfirmieren zu lassen. Ja und mein Zwillingsbruder und ich haben also zusammen diesen Konfirmandenunterricht besucht, mit dem Ergebnis, dass mein Zwillingsbruder sich dazu entschieden hat Jugendweihe zu machen. Was für meine Eltern auch fein war. Und ich habe mich entschieden, mich taufen und konfirmieren zu lassen. Ddarüber habe ich dann auch den mehr noch mehr Zugang gefunden zu ähm ja zu unabhängigen Friedensbewegungen, zu Menschen die anders gedacht haben weil die evangelische Kirche in der DDR damals die Möglichkeit bot ein ja Freiraum für eine Nische innerhalb des Staates ähm wo sich Menschen treffen konnten die anderer Meinung waren, die ähm auch für Künstler teilweise, ähm oder die dann Veranstaltungen durchführen wollten in einem etwas geschützteren Rahmen wo der Staat nicht so einen Zugriff drauf hatte, ähm oder wo Seminare stattfinden konnten zu Umwelt oder anderen Themen, ähm was daran lag dass es so ne Art Burgfrieden zwischen Staat und Kirche gab. Und man in den 70er Jahren gabs dann ne Vereinbarung:, Bbis in die 60er Jahre hinein wars wohl dass der Staat Menschen, junge Menschen auch verfolgt hat, die zum Beispiel in der jungen Gemeinde waren und sich zum Beispiel entschieden hatten sich konfirmieren zu lassen et cetera aber irgendwann ist der Staat zu der Einsicht gekommen, dass die Kirche eine so große, ein so ein großer gesellschaftlicher Einfluss ähm oder Institution ist, dass es besser ist, ähm sich mit denen zu arrangieren, als immer gegen Sie zu arbeiten und so gabs dann diese Vereinbarung, dass der Staat sich nicht, nicht zu sehr in die Angelegenheiten der Kirche einmischt. Aaber auch umgekehrt. Ddie Kirche sich nicht in die Angelegenheiten des Staates einmischt. Und über diese informelle Vereinbarung standen dann Freiräume., WWobei man ganz klar sagen muss, dass die evangelische Kirche an sich nicht etwas oppositionell war., Iich würde Sie eher als staatstragend bezeichnen., Sie war auch stark von der Staatssicherheit unterwandert, aber, es gab innerhalb dieser Kirche mutige Pastoren und Pastorinnen die diesen Freiraum genutzt haben, und dazu gehört natürlich auch die Gemeinden, die das mit unterstützt haben, um ähm oppositionellen nen Raum zu bieten., Ddas waren aber bei weitem nicht alle Gemeinden und auch nicht alles Pastoren und Pastorinnen. Und ähm oft war es auch so, dass die Pastorinnen und Pastoren, die da diese Schutzräume geöffnet haben, von zwei Seiten unter Druck waren., Zzum einen vom Staat und zum anderen von der Kirchenleitung, die immer bedacht war möglichst auch einzudämmen., Ddas heißt, mein Eeintreten in dieses in diesen, ja also meine Taufe oder meine Konfirmation damals war das die Bekenntniskirche in der (Plässerstraße???) ähm in Treptow, die auch eine Rolle spielen sollte dann später in der friedlichen Revolution ähm, und in den Vorläufen davon, brachte mich sozusagen dazu, dass ich dann einfach auch noch mehr Kontakt hatte zu unabhängig gegen Friedensbewegungen dann später auch dem so genannten Kirchentag von unten[CJ1] ., Dda habe ich dann ähm das erste Mmal von der Umweltbibliothek gehört und das war dann mein Weg sozusagen in diese Umweltbibliothek.[CJ2]
#00:12:43#
C. Jacobi: Und würden Sie sagen, dass die Kirche ähm in der DDR HausDDR Haus und Dach für oppositionelle Gesinnung und oppositionelles Engagement geboten hat?
T. Eisenlohr: Ja. Also wie gesagt, ebenindem mit der EinschränkungEinschränkung, dass es die Kirche nicht an sich war, sondern dass es ebend über diese informelle Vereinbarung zwischen Staat und Kirche ähm die Möglichkeiten für mutige Pastorinnen und Pastoren entstand dieses im Raum der Kirche zu tun. Das war jetzt nicht von vorn hereine rein so angelegt, dass da jetzt die Opposition reinsollte, sondern das war einfach ein RaumRaum, der sich öffnete und den eben diese mutigen Pastoren und Pastorinnen mit geöffnet haben, diese Tür. Uund so zu sagen: Hhier guckt mal! Wwir haben hier einen geschützten Raum ähm hier könnt Ihr aktiv werden!, Äähm groß andere Möglichkeiten gabs ja nicht und das war auch diese Besonderheit der evangelischen Kirche an sich in der DDR durch diese Möglichkeit, und warum ebend viele dieser ganzen Protestgeschichten und Oppositionsgruppen halt in den immer mit verschiedenen Gemeinden und Kirchen verbunden waren., Aalso nicht alle aber doch der Großteil auch., Aalso wenn wir heute von, von ähm Protest reden in der geschichtlichen Betrachtung in Leipzig, in Berlin und was weiß ich dann ist das immer mit Namen von Kirchen verbunden und das ist einfach der Grund.
#00:14:07#
C. Jacobi: Und Ihr Eintritt in die Umweltgruppe erfolgte ebenfalls vergleichsweise jung, also schon im Alter von 14 Jahren. Uund während ihrer Zeit als Mitglied in eben dieser Umweltgruppe gerieten sie mit der Umweltbibliothek auch in das Visier der Stasi, richtig?
T. Eisenlohr: Ähm diese Umweltbibliothek war natürlich ähm durch den durch die staatlichen Sicherheitsorgane der DDR, im Bbesonderen durch die Staatssicherheit[CJ3] , wurde die überwacht. ,A uch wir waren natürlich von der Staatssicherheit von inoffiziellen Mitarbeitern unterwandert ähm ist irgendwann so ausgegangen, dass man gesagt hat ok wir wollen das ganz beenden, und ähm wollen eine Aktion durchführen die dann den Namen bekommen hat Falle also „Aktion Falle“, die vorsah ähm, dass man uns erwischt bei der, beim Ddrucken einer verbotenen Zeitschrift, die hieß der Grenzfall., Ddas war ein Druckerzeugnis der Gruppe Frieden und Menschenrechte ähm wir als Umweltbibliothek haben quasi legal eine eigene Zeitschrift herausgegeben, das waren die Umweltblätter, was nicht auf den Grenzfall zutraf. Uund ähm so wurde der Druck dieses Grenzfalles immer sehr konspirativ gehandhabt an unterschiedlichen Orten aber auch in den Räumen der Umweltbibliothek. Ddas war ja in dem Keller da waren ja mehrere Keller sozusagen ähm in den Gemeinderäumen, die zur Gemeinde der Zionskirche gehören beziehungsweise eigentlich waren es private Keller vom Pfarrer Simon. Äähm auf jeden Fall wollte man uns dabei erwischen, wie wir diese ähm diesen Grenzfall drucken, als wir dann in dieser Nnacht vom 24en auf den 25ten November 87 ähm gerade die Umweltblätter gedruckt haben, wollte ich nicht nach Hause gehen. Uund draußen standen schon die ganzen Einsatzkräfte der Staatssicherheit die darauf warteten zuzuschlagen, ä ähm diese Razzia zu machen und haben gesagt: „ok, dann erwischen wir Sie wenigstens auf frischer Tat wie Sie den Grenzfall drucken“ und dann sind sSie da halt rein zu fünfzehnt15, glaube ich warens, mit gezogenen Handfeuerwaffen und Taschenlampen, was jetzt nicht so ähm logisch oder notwendig war. Wir waren natürlich unbewaffnet es war auch hell aber es dient ja der Einschüchterung., Ddie tratgen dann da ein mit ihrem Ruf: „Maschinen aus! Hände an die Wand!“ ähm und durch die Druckmaschine lief weiterhin die Umweltblätter., Dder Grenzfall wurde nicht gedruckt. ähm Auch die Redaktionsmitglieder vom Grenzfall war nicht anwesend und ähm ja dann haben sie uns nach Waffen durchsucht und wir durften uns umdrehen, Ausweise rausholen ähm haben uns fotografiert., Ddie Fotos kann man ja heute noch sehen in verschiedenen Archiven oder SpiegelOnlineSpiegel Online oder was weiß ich wo, wie wir da aufgereiht stehen auf frischer Tat praktisch ertappt. Ja und dann haben die das durchsucht und auch oben zum in die Privatwohnung des Pfarrer Simons gegangen, was ähm damals ein Tabubruch war., Sseit den fünfziger Jahren wurden ja auch keine Kirchenräume mehr durchsucht., Hhat auch viel Unruhe ähm im Verhältnis zur Kirche gesorgt später diese Aktion, und wir sind da einzeln zugeführt worden und auch ich als 14-Jjähriger ähm bin dann ja Richtung Magdalenenstraße gefahren worden und dann ja da auch eine Nacht verhört worden.
#00:17:34#
C. Jacobi: Nun liegen zwischen dieser Nacht, der Razzia -der „Aktion Falle“- vom 24. auf den 25. November 1987 und der Ausreise zusammen mit ihrer Familie fast zwei Jahre. Was ist da in der Zwischenzeit passiert?
#00:17:52#
T. Eisenlohr: Ja es hat sich schon etwas geändert, aber vor allen Dingen auch in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, ähm von der Umweltbibliothek und ich war ja Teil von der Umweltbibliothek. Ähm vorher kannten die ja jetzt nicht so viele, um das mal ein bisschen zu beschreiben., Ees gab ja jetzt auch nicht diese Medienlandschaft, wie sie es heute gibt und die sozialeren Netzwerke., Äähm aber diese Razzia hatte genau den gegenteiligen Effekt zufolge, den der Staat geplant hatte., Wwir ähm wurden auf einmal über Nacht bekannt, die haben uns praktisch danach die Bude eingerannt und ja es gab auch viel Interesse von West- Medien und ähm Ähnliches und die Unterstützung wurde auch dadurch stärker und die Solidarisierung. Aalso wir wurden ja unterstützt ähm durch die Alternative Liste beziehungsweise durch die Grünen aus dem Westen., Mman kann jetzt nicht sagen, die Grünen an sich, das waren mehr ne spezielle Gruppe innerhalb der Grünen, nämlich die um Petra Kelly und Gerd Bastian, [CJ4] ähm die uns sehr unterstützt haben, und Wilhelm Knabe. Äähm und ähm das Unerhörte war ja eigentlich, dass diese Umweltbibliothek an sich offen blieboffen blieb., Also das war ja dieses Fanal an die Öffentlichkeit an den Widerstand an die Oppositions-Szene in der DDR., Äähm man hat ja eigentlich erwartet, ähm dass es einfach dicht gemacht wird., Ees war ja staatsfeindlich, aber da diese DDR auch als Rechtsstaat dastehen wollte und es war damals besonders wichtig ein gewisses Wohlverhalten auch im Hinblick auf den auf die Bundesrepublik, da sie auch von den ähm Krediten abhängig waren zu dem Zeitpunkt schon ähm war ihnen wichtig also dieses Ansehen, wir sind ein Rechtsstaat, und sie konnte uns das halt nicht nachweisen und so mussten auch die Ermittlungen eingestellt werden und die Umweltbibliothek konnte offen bleiben und ähm war wirklich aktiv und noch aktiver als vorher., Ees haben sich auch Umweltbibliotheken nach deren nach dem Vorbild dieser Umweltbibliothek in anderen Teilen der Republik gegründet und ähm ja es kamennn viele Menschen zu uns auch aus dem Westen., Aalso ich weiß noch irgendwann stand da ein buddhistischer Mönch bei uns in der Bibliothek, der sagte, „Iich will unbedingt an die Mauer und an der Mauer trommeln vom Osten aus!“ und wir konnten ihn gerade noch davon abhalten das zu tun., Jja, verschiedenste Menschen fanden den Weg dahin aber ebend auch Menschen, die ähm jetzt nicht unbedingt das Ziel hatten, innerhalb der DDR etwas zu verändern., Ddas war ja unser Ziel!, Wwir hatten in Anspruch, als Umweltbibliothek ähm nicht etwa diese DDR abzuschaffen oder möglichst schnell rauszukommen, sondern wir wollten in dem Land etwas verändern!, Uunser Ziel war nicht, wie teilweise irrtümlich angenommen wird, das Sstürzen des Systems und das AabschaffenAbschaffen der DDR an sich., Wwir wollten eigentlich so etwas wiefür einen demokratischen Sozialismus., Ees hieß auch Sozialismus mit und menschlichen Antlitz, so alsund Vorbild dessen, was ja auch in Folge des Prager Frühlings versucht wurde unter (DUBCHECK????)Dubcek und das war das eigentliche Ziel., Wwie realistisch das im Nachgang war, ist ne andere Geschichte. Uund dann gab’s aber ebend einfach auch wie gesagt ne Gruppe von Menschen, ne groß werdende Gruppen von Menschen, die diese Strukturen der Umweltbibliothek genutzt haben, um sich zu exponieren., Ddas waren Menschen, die ausreisen wollten um jeden Preis, und auch Ausreisegruppen, was ja auch legitim war, was aber auch zu Konflikten führte, weil die Menschen natürlich andere Ziele hatten., Aalso die haben gehofft, wenn sie sich politisch engagieren, dann exponieren sSie sich im Augen des Staates so sehr, dass sie dann vielleicht verhaftet werden und dann vielleicht freikauft werden oder noch besser ausgewiesen werden. Äähm und das war so ein bisschen das Motiv von denen und wir hatten ja das Motiv, wir wollen im Land was verändern und das führte auch so ein bisschen zu den Konflikten, dass die unsere Strukturen genutzt haben für Ziele, die wir jetzt nicht unbedingt hatten. Aaber es war natürlich genauso legitim, ja und natürlich war die Umweltbibliothek im Zentrum auch dieses Ganzen Geschehens und dieser ähm friedlichen Revolution später., Wwobei ich zu den Höhepunktzu dem Höhepunkt dieser friedlichen Revolution, dann mit demden Weg mit meiner Familie Richtung ähm West-Berlin genommen hab.
#00:21:59#
C. Jacobi: Und ähm haben iIhre Eltern ihr politisches Engagement, ihre Meinung ähm unterstützt und ihre Ansichten geteilt?
#00:22:09#
T. Eisenlohr: Ähm ja also meine Eltern waren ja auch schon auch Teil dieser Meinungsbildung. Ddie haben das unterstützt. Ddie wollten uns ja zu kritischen Menschen erziehen., Äähm sie waren dem Staat ja auch sehr kritisch gegenüber ähm, also im Gegensatz zu dem, wie sie sich früher dem Staat gegenüber ähm, also wie sie dem Staat gegenüberstanden., Dda waren sie eher sehr überzeugt, auch von der Idee des Kommunismus des Sozialismus, dieses Staates jungen Staates der DDR als Gegenentwurf zu dem, was vorher war und haben auch diesen Staat sehr stark hinterfragt und haben natürlich dieses hinterfragen auch mit uns kommuniziert, und was dazu geführt hat, dass auch meine große Schwester, sich dann irgend auch politisch engagiert hat und auch ähm sich hat konfirmieren lassen und taufen. Aalso jetzt nicht auch, sondern das war ja sozusagen vor mir., Ddie war ja zwei Jahre älter, hat sich auf ihre eigene Art und Weise engagiert und auch später dann in der friedlichen Revolution auch mit, war auch mit bei den Demonstrationen et cetera, hat sich dann aber entschieden, in der DDR zu bleiben. Uund ähm rüber gegangen sind dann letztendlich meine Mutter, mein Vater, meine kleine Schwester natürlich die war zu derzeit drei und mein Zwillingsbruder. Uund ähm meine Mutter war eigentlich auch der Anlass oder der Grund dieses Üübersiedelns., Äähm wir hatten einen humanitäres ähm so eine Artp art wie humanitären Ausreiseantrag gestellt, weil meine Mutter an Brustkrebs erkrankt war seit einigen Jahren. Äähm hat auch Operation hinter sich ähm und wollten Therapie nutzen, TherapiemöglichkeitTherapiemöglichkeit, die nur im Westen möglich war., Lletztlich war so, dass dann diesem Antrag irgendwann stattgegeben wurde., Aalso mich hat es auch in dieser Zeit gerade in dieser Zeit zwischen Engagement in der Umweltbibliothek und Übersiedlung sehr bewegt, weil meine Mutter mir natürlich sehr wichtig war und ähm ich hab auch im Vorzimmer vom (Manfred Stolpee????) [CJ5] gesessen mit nem selbstselbsth geschriebenen Brief und dem den ähm in die Hand gedrückt, in dem Wunsch, dass er das weiter reicht, dass wirhier raus können, damit sie diese Therapie nutzen kann., Aaber für meine Mutter war es letztendlich zu spät., Aalso wir sind rüber gekommen und sie ist noch vor den Fall der Mauer in West-Berlin verstorben und wir sind dann als Kinder damals ähm an die Rudolf- Steiner- Schule in der Clayallee(Kleealle???) in Dahlem gegangen gekommen eine Waldorfschule.
#00:24:35#
C. Jacobi: Und wie können wir uns das vorstellen? Aalso wie hat die Familie die Ausreise geplant beziehungsweise auch, war denn überhaupt ein Ausreisedatum schon bekannt?
#00:24:48#
T. Eisenlohr: Ähm das Prozedere war so: wenn dem Ausreiseantrag dann stattgegeben wurde, dann konnte das zum einen sehr kurzfristig sein und zum anderen war es so, dass du eigentlich nur das mitnehmen konntest, was du tragen kannst., Ees war nicht möglich – ich bestell jetzt nen Umzugswagen und ähm tue da alles rein was mir gehört., Wwas der Staat auch genutzt hat!, Vviele Dinge sind damals einfach an den Staat gefallen – an Werten. Äähm sei es jetzt nun auch Grundstücke oder andereandere Gemälde oder keine Ahnung, wir hatten jetzt nicht so viele super wertvolle SachenSachen, die einen jetzt an den Staat fallen konnten., Aaber wir haben natürlich Vorsorge betrieben. Wwie viele andereandere, die das schon länger geplant haben, hat man das so gemacht, dass man DingeDinge, die einem wichtig warenwaren, natürlich untergebracht hat bei LeutenLeuten, denen man noch vertraut hat., Mmeine große Schwester ist da geblieben et cetera. Aber mitgenommen haben wir in diesem Moment nur dasdas, was wir tragen konnten und ja haben dann relativ kurzfristig die Mitteilung gekriegt, wir dürfen rüber und dann haben wir gepackt.
#00:25:49#
C. Jacobi: Und welches Ziel haben sie zusammen mit ihrer Familie dann in West-Berlin unmittelbar angesteuert?
#00:25:56#
T. Eisenlohr: Ja also wir sind nicht ähm wie andere in das Aufnahmelager gekommen, nach Marienfelde, sondern ähm wir hatten Freunde in ähm West-Berlin, in Neukölln. Uum genau zu sein ähm: zum einen ähm einen guten Freund, der auch aus ähm aus der DDR kam aus Ost-Berlin, zu dem wir lange Kontakt gehalten hatten, den wir auch immer wieder in Prag getroffen haben, im befreundeten sozialistischen Ausland, weil der ein Einreiseverbot in die DDR hatte., Dder lebte da in Neukölln in der Silbersteinstraße und ähm obendrüber wohnte die ähm Bekannte aus Leipzig. Ddas ist eine Künstlerin ähm eine Grafikk Künstlerin, die eine Auslandsreise, die ihr genehmigt wurdewurde, nutzte, um im Westen zu bleiben. Uund ähm beide hatten jeweils eine Einzimmerwohnung und wir haben uns dann halt aufgeteilt: ,meine Mutter hat oben gewohnt ähm und natürlich hat sich da auch überwiegend meine kleine Schwester aufgehalten., Mmal wechselnd zwischen ooben und uunten, je nachdem wie’s meiner Mutter ging, die dann ähm da praktisch eingezogen ist nachdem sie dann aus dem Krankenhaus kam und es irgendwie klar war, dass ähm sie aus ttherapiert war und ähm wollte sSie da in einem bekannten Umfeld ihre letzten ähm Tage Wochen da leben. Uund ähm ja zwischen diesen beiden Etagen hat also unser Leben stattgefunden zu der Zeit, bis ähm also nach dem Tod meiner Mutter wir dann mehr in der Nähe unserer Schule, damals in Düppel der Gartenstadt Düppel, eine Wohnung gefunden habenhaben, wo wir dann eingezogen sind. Äähm weil die Schule war ja in Dahlem und es war schon ein recht weiter Wweg immer von Neukölln nach Dahlem.
#00:27:51#
C. Jacobi: Und ja klar sSie waren zu der Zeit natürlich noch schulpflichtig, daher ähm meine Frage: Wwie würden sie die gemachten Erfahrungen während der Schulzeit in einer Waldorfschule, wenn ich mich recht entsinne, bezeichnen und vielleicht auch wie würden sSie die Schule in Ost- und die Schule in West-Berlin vergleichen und das auch gepaart mit der Frage wie anders war es denn nun in West-Berlin?
#00:28:21#
T. Eisenlohr: Ja es war natürlich alles anders, ähm und insbesondere natürlich auch die Schule, ähm viel freiheitlicher, sehr natürlich „Waldorf- typisch“ auch auf Kunst und Musik ähm, das war sozusagen auch ein Schwerpunkt da. Uund natürlich gabs da auch Elemente, die mich erst mal vor gewisse Herausforderungen gestellt haben. Aalso wie zum Beispiel der Eurythmie Unterricht:, bin dann gleich ähm in das Eurythmie Märchen, was zu der Zeit in der zehnten Klasse stattfand, mit integriert worden. Ffaktisch mit Hauptrolle., Äähm musste sozusagen ein Crashkurs Eurythmie mitmachen, aber ich war dem Gganzen recht offen gegenüber eingestellt., Ees war besser als im Osten für mich und aufregend und spannend und ähm war dem Gganzen also offen und positiv gegenüber eingestellt und hatte auch nen Klassenlehrer, der eher recht politisch war., Ees war ein Historiker, der Doktor Petri, der es auch gut fand, dass jetzt auch politisch interessierte Jugendliche da in seine Klasse kommen als sechzehnjährige und seine Klasse mal so ein bisschen aufmischen. Uund ähm ich hatte ganz viele Freiräume. Aalso viel zu viele FreiräumeFreiräume, ähmähm, wenn man das mal jetzt mit meinen schulischen Leistungen so ein bisschen verrechnet. Uund ähm hab mich natürlich auch sofort politisch engagiert , vor Ort und hatte jetzt so ein bisschen die naive Vorstellung, dass drüben ganz ganz viele Jugendliche politisch aktiv sind, weil sSie das ja können in dieser freiheitlichen Demokratie und hatte immer so die Idee, dann treffe ich Leute mit denen rette ich zusammen die Welt oder so, und ähm hab dann gleich an meiner Schule auch relativ bald ne Amnesty International Jugendgruppe gegründet – mit Schwerpunkten Rumänien und Sri Lanka., Ddie musste immer so zwei Schwerpunkte haben, und ähm war…
#00:30:24#
C. Jacobi: Das hätte man sich in der DDR nur schwer vorstellen könnenkönnen, oder?
T. Eisenlohr: Ja, das man konnte sich das nicht vorstellen in der DDR das zu machen., Wwas heißt nicht vorstellen… man wusste, dass es nicht geht. Ees war aber nicht so, dass ich mich jetzt, so Vvieles was ich dann in der Bundesrepublik vorfand, mich jetzt komplett überrascht hätte oder mich jetzt irgendwie…, Nnatürlich war Vvieles neu und ich musste vieles Nneues auch lernen, aber es war ja so, dass, in der Zeit in der DDR in Ost-Berlin ich so wie auch viele archiviere andere Menschen ja auch immer rüber geguckt habe in den Westen, also man sagt ja auch heute: Der Osten hat immer in den Westen geguckt, aber der Westen hat niemals in den Osten geguckt – oder selten, weil es ihn nicht interessiert hat. Ddas heißt, all unsere Sehnsüchte und Projektionen gingen ja Richtung Westen., Wwarum sollte der Westen in den Osten gucken? Aaber das ist ja das, warum es auch heute noch diese Verständigungsschwierigkeiten gibt, denke ich mal. Uund ähm es war auch so, dass ich mich natürlich als politischer Mensch ganz intensiv mit diesem mit der Bundesrepublik auseinandersetzt hatte. Ees war auch nicht so, dass ich gedacht habe, ich komm da jetzt ins Paradies oder so., Uund auch unsere Eltern haben das nicht so gesehen., Aalso es war schon so, dass unsere Eltern uns auch mit darauf vorbereitet haben und mich mussten sSie jetzt vielleicht auch nicht so stark darauf vorbereiten weil ich mich ja schon damit beschäftigt hatte, ähm dass dieser Westen zwar auch vor allem Freiheit bedeutet, und Demokratie und Mitbestimmung aber dass dieses Mehr an Freiheit auch Mehr an Risiko und Gefahr darstellte -Kriminalität, Drogenabhängigkeit, Möglichkeit arbeitslos zu werden etc. Es war so n bisschen so, als wärst du von dem sicheren kleinen Karpfenteich auf einmal in den Ozean schwimmst, wo auch die Haie drumrumdrumrum schwimmen. Aber diese Gefahr hat mir nie wirklich richtig Angst gemacht. Die hat mich zwar vorsichtig gemacht, aber für mich war immer klar: ich ziehe die Freiheit der Sicherheit vor., Ddas ist bei mir bis heute so, dass ich ähm, dass es mir wichtig ist, dasdasss Freiheit ein ganz wichtiges Gut ist und dass die Interessen der Sicherheit diese Freiheit oft einschränken wollen für mich nicht höher stehen sozusagen. Aauch aus dieser Erfahrung heraus. Uund ähm ich hab das wie wir alle glaube ich einfach auch als Abenteuer angenommen in den Westen kommen und es war klar ähm wir passen jetzt sofort immer wir hatten ja das ganze Gepäck dabei, Bahnhof Zoo oder so wir passen auf unser Gepäck aufauf, weil wir sindsind hier im Westen, Kriminalität und so. ASalso nicht Paradies, sondern auch gefährlich wie die Wildnis so ein bisschen und ähm wir waren jetzt auch nicht gerade PazifistenPazifisten, um es mal so zu sagen. Aalso mein Vater war eher als er noch von der DDR überzeugt war, bei den Grenztruppen und so und hat uns gezeigt wie man sich verteidigt und ähm wobei ich mich eher immer dieses eigentlich dieses ähm Feindbild hatte, oder ähm diese Angst ähm auch vor Skinheads und vor Rechten eher mehr, was in der DDR übrigens auch so war., Iich hatte eigentlich eher ne Befürchtung, dass mich irgendwelche Skinheads, das wurde ja immer unter den Teppich gekehrt, dass wir auch Skins und so rechte Skins in der in Ost-Berlin hatten oder in der DDR überhaupt. Ggenauso wie dieser Antisemitismus ja auch immer unter den Teppich gekehrt wurde. Aalso diese Nazis sind nicht aufeinander alle aufgetaucht weils ähm nach der Wiedervereiningung Wiedervereinigung irgendwann der DDR ähm den neuen Bundesländern so schlecht ging und so, ähm sondern, die waren zum Teil alle schon vorher da. Nnatürlich unterstützt durch Strukturen auch aus dem Westen aber naja., Uund dann gabs ja auch diesen Überfall ähm der Skinheads von diesem Punkkonzert in der Zionskirche auch 87 und ähm, ich , hatte sowohl also im Wes im Osten natürlich ähm hatte ich, was heißt natürlich, ich hatte in meinem Rucksack zum Beispiel so ein kleines Handbeil mit. Ohne Quatsch! Weil ich gedacht habe, wenn mich hier irgendwelche Skins überfallen muss ich mich ja irgendwie verteidigen also ein Campingbeil, mich ja irgendwie verteidigen. Uund im im Westen hatten wir dann Tatsache auch teilweise eine Zeit lang wirklich so ne kleine Schrecksche Schreckschusspistolen und sowas., Aalso ähm das soll das nur ähm illustrieren, ähmähm, dassdas heißt nicht, dass wir uns bis an die Zähne bewaffnet habenhaben, aber es war schon so irgendwie dieses, dieses: „eEs ist nicht mehr ganz so safe das Umfeld“.
#00:34:52#
C. Jacobi: Und wie würden Sie ähm dieses andere Leben beschreiben, hat es sich ähm, ganz profan gefragt, noch wie das ähm selbe Land angefühlt?
#00:35:04#
T. Eisenlohr:: Naja also das faktische Bewusstsein, dass das jetzt ähm Berlin ist, geteilt, dassdas war schon da., Wwas natürlich besonders deutlich wurde an den Punkten wo man es jetzt nicht nur an der Mauer sehen konnte, sondern nehmen wir den Bahnhof Friedrichstraße. Du stehst Bahnhof Friedrichstraße und damals war der Bahnhof Friedrichstraße ja wirklich längs geteilt, durch eine genietete Stahlwand die wirklich vom Boden bis oben ging und du hast auf der anderen Seite gehört, da fahren jetzt die anderen Züge. Da hast du das natürlich unglaublich direkt erlebt aber es war definitiv nen anderes Land, war ne andere Stadt, auf jeden Fall. Ees hat anders gerochen, es hat anders ausgesehen, ähm du durftest andere Sachen. Ees war einfach komplett alles anders., Aalso auch in in allen Beziehungen, selbst in dem ähm auch im Kulturellen natürlich oder in der Sprache auch.h, Aalso ähm die Sprache war ja in der DDR ganz ganz wichtig., Ddu konntest zwischen den Zeilen lesen, du hast dich auf eine bestimmte sehr genaue Art und Weise ausgedruckt ausgedrückt, weil du ja ähm dich auch immer anders ausgedrückt hast im öffentlichen Raum, wie im privaten Raum., Ddas war ja noch viel wichtiger. Hheute ist das natürlich auch wichtigwichtig, aber damals war es noch wichtiger weil die Folgen anders waren wichtiger, weil die Folgen anders waren. Wwenn du dichdich im öffentlichen Raum nicht dementsprechend geäußert hast, wie das der Staat wollte. Uund dadurch entstand ein anderes Sprachgefühl, was sich in der Literatur oder in Liedtexten niedergeschlagen hatt, aber auch in dem alltäglichen Miteinander. Rreden, so sagen wir mal, im Westen war so ein bisschen so ein bisschen salopperer Umgang mit der Sprache, und ein Beispiel, Beispiel, in meiner Klasse ähm, hat einer gesagt so ähm,“ das ist ja ne Vergewaltigung” im übertragenen Sinne, hat der das gemeint. Aaber für mich war eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung. , uUnd ich hab gedacht, wieso sagt der so was schrecklichesSchreckliches in so nem Zusammenhang? Iist ja vollkommen absurd., Nnur so als Beispiel, also bestimmte Dinge ähm hatten, wir haben ein bisschen genauere Sprache und es war ein bisschen hatten ne andere Gewichtung alles, und das muss ich auch erst mal lernen, dieses „Es- nicht-so-ernst-zu-nehmen“ und ähm n bisschen lockerer mit der Sprache wieder umzugehen, weil es nicht alles so auf die Goldwaage gelegt wurde. Uund natürlich auch die politische Auseinandersetzung war eine andere, politische Protestkultur war eine vollkommen andere. In der DDR war es so, dass politischer Protest ähm eher so ähm etwas konzilianter war, etwas ähm auf Kompromiss auf Versöhnung ausgelegt war, weil du dich ja auch immer mal mit dem System arrangieren wolltest., Du wolltest es ja verändern, hast ja versucht auf einen friedlichen Weg dieses System zu verändern. Uund hast es versucht mit eigenen Mitteln, die eher subtiler Art waren., Iim Westen war da nicht so viel mit subtil. Also da gab’s dann halt 1. Mai-Demos und Gewalt und was weiß ich, es gab auch so ne ähm während wir natürlich ganz klar auch vereint war in unserem was weiß ich später dann auch geändert haben nach dem Mauerfall. Vvieles, ja alles an diesen ganzen Strukturen, aber zu derzeit in der DDR wars ja so, dass wir ganz klar in ner gewissen Gegnerschaft, ja auch zu diesem Staatsapparat waren. Uund das waren ganz eindeutig, ne ganz eindeutige Verwerfungslinie. Während es drüben dann so war, dass diese Verwerfungslinien teilweise durch die Protestlandschaft gingen, oder durch die einzelnen GruppenGruppen, die da protestiert haben und das wurde sehr sehr unübersichtlich und auch die Art der Auseinandersetzung war viel aggressiver und ähm viel unversöhnlicher., Ddas war schon n Unterschied.
#00:38:45#
C. Jacobi: Ja, Herr Eisenlohr sie ja wir treffen uns ja heute zum zweiten Mal und im Vorgespräch zu unserem Podcast erwähnten sie, dass es für sie persönlich nach der Ausreise später schwierig war eine politische Heimat zu finden, wie erklären Sie das?
#00:39:03#
T. Eisenlohr: Ähm, eEs war schon so, dass die Umweltbibliothek für viele von uns, die wir da waren, zu ner politischen Heimat geworden ist. Aalso für mich persönlich auf jeden Fall. Ähm wir hatten gemeinsame Ziele. Wir waren natürlich auch zusammengewachsen durch diesen DruckDruck, den der Staat auf uns ausgeübt hat. Ddurch diese Situation ähm hat sich ne starke Solidarisierung auch ergeben, aber wir hatten ja auch gemeinsame Ziele über natürlich, dass die Pressefreiheit Reisefreiheit, Meinungsfreiheit, dass es die Möglichkeit wirklicher freier Wahlen gibt, die ja eigentlich die DDR viele dieser Dinge hatte, die DDR Verfassung ja eigentlich garantiertt. Nnur, dass sie nicht eingelöst wurden, ähm und das hat uns natürlich zusammengebracht diese gemeinsamen Ideenwerte, Ziele. Aber auch was heute nicht mehr so viel ja gewürdigt wird oder wo nicht so viel drüber geredet wird, ähm hatten wir natürlich auch Ziele die über das hinaus gingen. Aalso wir haben ja nicht nur unseren eigenes Landunser eigenes Land gesehengesehen, sondern unsere Themen waren ja auch Gerechtigkeit in der Welt auch das Thema Klima spielte ne Rolle damals, und dann eben der Begriff Treibhauseffekt, DingeDinge, die über unser eigenes Land hinaus gingen. dasDas waren alles Sachen, für die ich, hinter denen ich voll stehen konnte und wo ich auch mit Menschen zusammen warwar, die ähm auf ne ähnliche Art und Weise versuchten, da nen Wandel zu erreichen. Im , im Westen wurde das schwieriger. Da war das nicht mehr so einfach mit der politischen Heimat. Ähm da traf ich dann auf Menschen, die ich teilweise nicht verstanden hab, also meine natürliche mein natürlicher Anlaufpunkt damals wär im Westen gewesen, ähm die Friedensbewegung, Linke, GrüneGrüne, die damals ja auch noch sehr links waren. Aaber da war natürlich auch viele die diesen Sozialismus ja romantisiert haben, die sehr unkritisch mit Menschen wie Lenin mit geschichtlichen Menschen also Persönlichkeiten wie Lenin mit ähm Ché Guevara mit Mao Zedong und was weiß ich umgegangen sind. Äähm wo ich mich natürlich genauestens informiert hatteinformiert hatte, und wusste was diese Menschen für was diese Menschen teilweise standen oder was sie teilweise auch gemacht haben oder für was sie verantwortlich waren, und ich hab gar nicht verstanden wie man so unglaublich unkritisch sein kann. Uund hatte natürlich dann auch zu diesen Alt-Linken, teilweise ja auch DKPlern, die ja von der SED damals gefördert wurden, überhaupt keinen Zugang. Ich, ich wusste gar nicht, was soll das? Wie kann man so unkritisch so einseitig sein, in seinem ähm Wahrnehmung der Welt? Uund ähm natürlich war jetzt auch nicht unbedingt, was heißt natürlich aber für mich war jetzt auch nicht unbedingt die CDU mein Anlaufpunkt oder was weiß ich. Uund ähm es war schon recht schwierig mit meinem, mit meiner, mit meinem Verständnis der Welt dann nen Zugang zu finden. Ees gibt nen Beispiel dafür, was das Ganze dann auch irgendwo auf Spitze gebracht hat. Ees war, es gab ja damals zu dieser Zeit war der erste Golfkrieg und ähm ich war ja ganz stark in diesem Bewusstsein dessen, was beim Holocaust passiert war, und ähm damals gab’s in den Palästinensergebieten aus Anlass dessen, dass Hussein gesagt hat „Wwir schicken da jetzt Raketen mit Giftgasgranaten Richtung Israel“ und so gab es in den Medien gezeigte ähm Demonstration, wo Palästinenser mit T transparenten rum liefen „Vvergast die Juden!“. Uund mich hat das ja, eher schon relativ stark geschockt und ähm ich hatte auch damals schon relativ stark auch gestört, die sehr unkritische Unterstützung oder sehr eEinseitige Unterstützung dieser Bewegung, der PLO damals, wobei ich durchaus auch gesehen habe was da passiert, was in diesen besetzten Gebieten passiert und, dass es, dass da Unrecht passiert. Aaber, ich hab auch irgendwo beide Seiten gesehen, und auch gesehen, wie ist dieser Staat Israel entstanden? Uund warum ist er entstanden?, Uund diese sehr Eeinseitige, das kannte ich ja schon aus der DDR, die waren ja anti-israelisch, auch teilweise antisemitisch, ähm vom auch von der Politik, die sie gemacht haben. Uund dieses, dieses, diese Demo, mit diesen Transparenten, die ich die da gezeigt wurde, war für uns, also für mich, ein Anlass ähm Leute aus meiner Klasse, zum Beispiel da zu zu bewegen, wir machen ja jetzt keine anti-Israel anti-USA Demonstration. Sowieso nicht, sondern direkt neben uns war das damalige amerikanische Hauptquartier (neben) unserer Schule und wir haben uns dann mit selbst gemalten Transparenten vor die Schule vor dieses amerikanische Hauptquartier gestellt mit wo drauf stand „Hände weg von Israel!” ebend aus diesem geschichtlichen Bewusstsein dessen, was dieses Land halt den Juden angetan hat, und da sind wir in einen direkten Konflikt geraten mit Autonomen und anderen, die zur gleichen Zeit da demonstriert haben und die dort, die Polizei die da war um dieses amerikanische Hauptquartier zu bewachen, musste uns dann auf einmal vor den sehr aggressiven äh Linken und Autonomen beschützen, die uns da ähm angeschrien haben, und mit Farbe überschüttet und was weiß ich. Zzum einen diese krasse Aggressivität, diese ganz andere Art und Weise, sich miteinander auseinander zusetzen hatte mich damals doch recht schockiert und abgestoßen., Uund ähm, dann war’s aber auch so, dass ich merkte, ähm für mich gibt’s hier keine politische Heimat, also so die die diese Ansichten vertreten haben wie ich teilweise, dass wär so dann wär dann so mehr in Richtung CDU gegangen oder Ähnliches. Aber da habe ich mich auch überhaupt nicht zu Hause gefühlt. Dasdas war gar nicht meine Welt. Ich kam aus diesem alternativen linken Milieu und so war für mich irgendwo irgendwann klar, ich, ich find da keine keine Heimat und ich will damit eigentlich auch aufhören, weil ich möchte jetzt auch kein Berufspolitiker werden und die Welt hat auch noch anderes zu bieten für mich, der jetzt einfach diese Welt endlich entdecken will, als Politik.
#00:45:15#
C. Jacobi: Und haben Sie sich auch schon in der DDR mit weltpolitischen Themen dieser Art auseinandergesetzt oder würden Sie sagen, das neue Umfeld, das Leben in West-Berlin, ähm das Leben mit mehr Möglichkeiten hat vielleicht sogar neue politische Sichtweisen angestoßen?
#00:45:36#
T. Eisenlohr: Ähm dDas Weltpolitische spielte in der DDR für uns, die wir in der Umweltbibliothek waren, oder für mich persönlich, auch schon immer eine große Rolle. Aalso es wird halt ähm heute so sehr auf dieses, also auch diese Umweltbewegung, die es in der DDR gab, und diese Bewegung die ja auch sich für Gerechtigkeit nicht nur im nationalen sondern im internationalen Rahmen eingesetzt haben, wurde wird in der historischen Nachbetrachtung oft eher immer als Trieb als Treibkraft für die friedliche Revolution bezeichnet. Alsoalso die Umweltbewegung hat die angeschoben mit, die friedliche Revolution. Und dabei wird immer vergessen, dass diese Ziele die wir hatten, nämlich Gerechtigkeit im internationalen Rahmen, Umweltschutz auch nicht nur in unserem eigenen Land, dass diese Dinge ja bis heute wichtig sind. Ddas nicht die Wiedervereinigung des Happy End von dem Ganzen war, sondern, dass dasdas, was wir wollten, über das hinausging. dJa das war nur ein Teil, das war eine eine Etappe. Ddas Aabschaffen dieses undemokratischen Systems, die Freiheit die Möglichkeit zu wählen und so aber letztendlich ist es nur ein Etappenziel auf dem Weg gewesen. Uund, dass ist dasdas, was mich bis heute so, nicht von allen, aber auch von vielen Menschen, die damals aktiv warenwaren, so ein bisschen trennt. Ooder ähm viele sind einige sind auch heute aktivaktiv, aber viele sind sehr in diesem gestern und sehr in diesem „Wwir haben das damals gemacht und jetzt ist es abgeschlossen“. Aaber letztendlich komme ich ja kam ich auch aus ner Bewegung. Ggut, ich gehöre auch zu dieser Transformationsgesell- ähm Generation, für mich war das der Beginn eigentlich eines Weges. dasDas ist nicht der Abschluss gewesen. Aalso gerade, wenn man ähm betrachtetebetrachtet, was für Erfahrungen wir in der DDR gemacht habenDDR gemacht haben, die im kleinenKleinen gezeigt habenhaben, was im großenGroßen schief läuftschiefläuft. Also das die Bundesrepublik zum Beispiel ihren Giftmüll zu uns in die DDR gebracht haben und wir dafür Devisen gekriegt haben. Ddas ist das was im größeren Rahmen vorher und heute auch in der so genannten drittenl Welt passiert, im Verhältnis von Industrienationen zu unterentwickel- ähm ähm weniger entwickelten Ländern, oder ähm, dass in den Gefängnissen in der DDR für IKEA Sachen zusammengebaut wurden, dass es Pharmatests gab in der DDR, all diese Dinge sind ja von dieser Bundesrepublik, von dieser freiheitlichen Demokratie, die ja so toll ist, ist Sie ja auch, dass soll Sie nicht klein reden, aber das ist ja passiert. Uund war nicht recht, es war nicht gerecht, es war nicht richtig! Uund das tun wir ja heute immer noch mit LändernLändern, die nicht so entwickelt sind, und da ist es passiert innerhalb eigentlich eines Landes von einem deutschen Staat in denum anderen, noch viel weniger zu verstehen eigentlich. Uund vor der eigenen Haustür praktischh. Uund diese Themen ähm, die sind bis heute aktuell und auch die Themen wie Grenze. Auch dda bin ich oft im Konflikt mit Menschen, die ähm damals aktiv waren, die sagen, dass ist was ganz anderes mit der Grenze damals, und das war ja ein Land und so, aber ähm für mich ist dieses Thema Gerechtigkeit und Grenzen innerhalb von Europa zu dem zunehmenden Süden praktisch hin immer noch ein Thema, was aktuell ist und was ähm, was auch viel mit Gerechtigkeit zu tun hat und ähm wenn ich sehe, ähm wie Menschen ähm die einfachste Gesundheitsversorgung nicht haben in Industrie, zu nach Industrienationen wollen und teilweise weil sie meinetwegen Therapie für ihre Kinder haben wollen da fühle ich mich erinnert an meine Mutter, die im Westen ähm im Osten festsaß und nicht rüber konnte und ich mit ansehen musste, wies ihr immer schlechter ging und wir nicht rüber konnten, das das ist genau das Gleiche.
#00:49:25#
C. Jacobi: Wenn man sich mit DDR-DDR Biografien beschäftigt, sind es eigentlich vielmals die intrinsischen Motive, die die Menschen zur Flucht oder zum Verlassen der DDR gebracht ähm haben. Doch eine Ausreise aus, wie sie ja es benannt haben, aus humanitären beziehungsweise aus gesundheitlichen Gründen, ähm ja von solch einer Geschichte höre ich von ihnen hier zum ersten Mal, deswegen wär meine Frage zum Beispiel noch: Wie war die Gesundheitsversorgung der DDR ihrer Meinung nach dann? War, war die dann problematisch, was beispielsweise ähm schwere Krebserkrankungen anging?
#00:50:10#
T. Eisenlohr: Also ähm man muss schon sagen, wir hatten ein funktionierendes fortschrittliches Gesundheitssystem. Das hatten wir schon! Also das soll jetzt nicht so heiße aussehen, als wenn wir wir hatten auch eine sehr niedrige Kindersterblichkeit etc. und ähm wir hatten schon ein recht funktionierendes Gesundheitssystem, so ist es nicht. Aber es gab natürlich gewisse Alternativen oder ähm medizinischen Fortschritt, der ähm in der DDR noch nicht so stark angekommen war, wie vielleicht wie es im Westen gewesen ist. Was aber nicht heißt, dass wir in irgendner Form in der DDR so ne Art Entwicklungsland waren, im medizinischen Bereich, das waren wir nicht!, Aaber es gab auf jeden Fall bestimmte KrankheitenKrankheiten, die man hätte im Westen mit fortschrittlicher Medizintechnik besser behandeln können, das ist definitiv so, und MedikamentenMedikamenten, die es vielleicht in der DDR noch nicht gab in der Art und Weise., Aaber mir geht’s vor allen Dingen darum zu zeigenzeigen, dass es bestimmte Motive oder Strukturen gibtgibt, ähm die bis heute Gültigkeit haben und die bis heute ähm auch dazu führen, dass ich mich auch berufen fühle, mich weiter zu engagieren,. Fürfür mich ist das kein Schlusspunkt. Für mich ist es einfach nur ein eine weiterer Station gewesen, dieser Mauerfall, diese Wiedervereinigung. Super toll. Auch selber erlebt vom Ost äh vom WestenWesten, dass aus mit meiner damaligen ersten Freundin aus diesen Mauerfall aber, wir haben noch viel zu tun. Es ist nicht so, dass damit alles geschafft ist und ähm auch nicht das erreicht ist, was wir mit unserem Einsatz für Gerechtigkeit im Osten ausschließlich wollten. Wir wollten vielmehr.
#00:51:45#
C. Jacobi: Ja und das Jahr 1989, die Ausreise der Familie, der Tod ihrer Mutter, ein neues Umfeld, ein neues Leben, eine Umbruchszeit, der beginnende Transformationsprozess. Sie waren ähm 16 Jahre alt., Da kam ja wirklich wahnsinnig viel zusammen und diese Zeit muss muss unglaublich aufgeladen für sie gewesen sein. Wie würden sie es beurteilen, diese Zeit von West-Berlin aus erlebt zu haben?
#00:52:17#
T. Eisenlohr: Das lässt sich schwer sagen, was jetzt die bessere Möglichkeit gewesen wäre, diesen Umbruch im Osten zu erleben oder im Westen. Natürlich denke ich heutig manchmal: hm hätte ich ja wär ich bis zum Ende dabei, dann hätte ich jetzt noch diese ganzen großen Demonstrationen mitgemacht und hätte vielleicht mit zusammen hier die Stasi Zentrale auch mit erstürmt und die Akten gesichert und was weiß ich… aAber es war auch einfach so, dass ich da wo ich war auch einfach ankommen wollte, und ich hatte ne neue Schule, ich hatte meine erste Freundin in der gleichen Klasse. nNatürlich meine Mutter ist gestorben, ich hatte ne Schwester, ne Dreijährige, ähm die jetzt auch keine Mutter mehr hatte. Es war so viel, es passierte in dieser Zeit einfach so unglaublich viel, und es gibt ja nur eine begrenzte Zeit und, in der man Dinge tun kann und ich hab mich einfach voll auf dieses Leben im Jetzt gestürzt. uUnd natürlich war es auch einfach was Spezielles, diesen Fall der Mauer vom Westen aus zu erleben. Vom Osten war es vielleicht noch aufregender aber es war auch schön mit meiner ersten Freundin dahin zu gehen, die eher zu der Zeit unpolitisch war, die dann auch einfach so n ganz anderen Blick darauf bekommen hat und im Nachhinein da auch recht dankbar war, dass wir zusammen hingegangen sind und da mit diesen, ja mit diesen jungen Menschen aus dem Westen aus gut bürgerlichen Verhältnissen auf dieser Mauer zu sitzen und vom Westen aus den Osten untergehen zu sehen. uUnd ähm, wie sich alles entwickelt, also, ich bin unglaublich dankbar, dass ich das durfte, also, dass ich in dieser Zeit da war, es miterleben durfte und, dass ich auch ein Teil dieses Wandels war.
#00:54:09#
C. Jacobi: Und vor allen Dingen als junger Mensch auch zu wissen, dass man ähm noch ein Teil von dem istist, was jetzt noch kommt ja, sehr, sehr aufregend. uUnd würden Ssie sagen, dass sie eigentlich jemals richtig angekommen sind und wenn ja wie lange hat das gedauert?
#00:54:18#
T. Eisenlohr: Hm angekommen. Schwierig. Also so ne politische Heimat habe ich immer habe ich nicht gefunden. iIch weiß auch gar nicht, ob das so gut ist eine politische Heimat zu finden, bin ich mir nicht mehr so sicher., iIch bin kein Mitglied irgendeiner Partei, arbeite in der politischen Bildung, in der ich unterwegs bin, ja auch mit verschiedensten Stiftungen zusammen ähm auch parteinahen unterschiedlicher Art auch nicht parteinahen, aber angekommen… Ich glaube, ich bin in so nem ich bin in so ner bin in dieser Transformationsgeschichte irgendwo hängen geblieben., iIch kann’s nicht genau beschreiben. Ich bin immer noch in diesem Zwischenraum, weil ich damals in die DDR mich schon immer Richtung Westen orientiert hatte, und zwar auch diese Sozialisierung miterlebt habe in der Schule und auch Dinge natürlich aus diesem Hintergrund besser verstehe und da auch eher ne Sympathie oder andere Dinge mehr empfinden kann aus diesem Verständnis heraus., iIch stell mich übrigens auch nicht über die Menschen, die nicht protestiert haben oder irgendwo revolutionär tätig waren, ähm ich sehe immer diesen privilegierungs-Gedanken, auch die mir das was mir das ermöglicht hat. Aber es ist schon so, das dadurch, dass ich mich auch in der DDR immer Richtung Westen orientiert habe und diesen Osten teilweise so dermaßen ätzend fand dieses grau und dieses formelhafte Gelaber „wWir schützen den Frieden und den Sozialismus“ und dieses ständige Wiederholen, und diese Unehrlichkeit und dieses das war alles soso unsexy irgendwie, also Vieles im Osten und es hat mich so abgestoßen irgendwann so angeödet ähm, sodass ich schon oft mit meinen Gedanken in diesem Westen und in dieser freien Welt irgendwo war und damit auch nie richtig zu dieser DDR gehört habe. Und auch jetzt im Westen bin ich mit meiner Sozialisierung, die natürlich trotzdem im Osten stattgefunden hat, zum großen Teil auch in einer wichtigen Zeit grade was diese Protestkultur betrifft, andere Dinge wie man sich ausdrückt und ähm natürlich hat sich das auch verändert in der zZeit, ich habe dann auch Vieles adaptiert und aufgenommen, stehe ich immer noch so ein bisschen zwischen den Stühlen. Aber das liegt auch daran, dass ich ebend für mich immer auch in Anspruch nehme, von oben herauf zu gucken und, dass ich bis heute dieses, was aber vielleicht auch ein bisschen an meiner Persönlichkeit liegt, mehr dieses Versöhnende suche, dieses ähm “Leute redet miteinander, nehmt diesen Gedanken der Freiheit ernst guckt das Ihr unterschiedliche Lebensentwürfe in diesem Land integriert“, dass es genauso okay ist ein traditionelles Familienbild als Vorbild als eigenen Lebensentwurf zu haben, wie ebend queer zu sein oder mit nem Mann zusammen zu leben. Aber, dass beide Seiten all diese Dinge nicht immer abwerten müssen, dass kann in einer freiheitlichen Demokratie, in einer Lliberalen Demokratie kann das nebeneinander hergehen. Und hört auf mit diesem Kulturkampf. Hört auf, euch ähm mit Dingen zu beschäftigen, die irgendwann zu nem Luxus werden, sich damit zu beschäftigen. Wenn man sieht, was in der Welt vorgeht und ähm was für Probleme wir haben ähm hört auf euch gegeneinander, aneinander, abzuarbeiten und ähm nehmt diesen Freiheitsgedanken ernst. Akzeptiert, dass es unterschiedliche Lebensentwürfe Ideen gibt und ähm seid ehrlich zueinander und der Staat soll auch ehrlich zu uns sein und uns als mündige Bürger wirklich ernst nehmen! uUnd das sind einfach so SachenSachen, die mich bis heute rumtreiben..
#00:58:13#
C. Jacobi: Diese Produktion wird gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt im Zusammenhang mit dem Projektfond Zeitgeschichte und Erinnerungskultur. Konzeption und Ausführung: Caroline Jacobi, Postproduktion und Musik: Joel Devon Laube.
#00:58:30#
Begleitende Informationen in Leichter Sprache
DDR ist kurz für: Deutsche Demokratische Republik.
Die DDR war ein Land in Europa.
Zur DDR gehörten 5 Bundesländer: Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.
Die DDR gab es von 1949 bis 1990.
Die Hauptstadt von der DDR war Ost-Berlin.
Bis 1949 war Deutschland ein Land.
Danach hat man Deutschland in Ostdeutschland und Westdeutschland geteilt.
Die DDR lag im Osten von Deutschland. Das ist auf der rechten Seite.
Die Bundesrepublik Deutschland lag im Westen. Das ist auf der linken Seite.
Die Regierung hatte viel Kontrolle und die Menschen durften nur wenig mitbestimmen.
Es gab nur eine Partei, die SED.
SED ist kurz für: Sozialistische Einheitspartei Deutschland.
Man sagt auch: Die DDR war ein sozialistischer Staat.
Im Jahr 1990 wurden die DDR und die Bundesrepublik Deutschland wieder ein Land. Das nennt man: Wiedervereinigung.
Die Umweltbibliothek war ein wichtiger Ort in der DDR.
Sie wurde 1986 in Ost-Berlin gegründet.
Sie war ein wichtiger Treffpunkt für die Menschen.
Diese Menschen fanden den Schutz von der Natur und von der Umwelt sehr wichtig.
Die Umweltbibliothek war ein Teil von der Zionskirche in Berlin Prenzlauer Berg.
Die Umweltbibliothek war in einem Raum in der Kirche.
Viele junge Leute kamen dorthin.
Sie lasen Bücher über Umwelt-Verschmutzung und lernten.
Sie redeten auch über Umwelt-Probleme und planten Aktionen.
Die Aktionen sollten die Natur schützen.
In der DDR gab es eine Geheimpolizei.
Sie überwachte die Menschen heimlich.
Die Geheimpolizei von der DDR beobachtete auch die Umweltbibliothek genau.
Denn die SED wollte die Umwelt-Verschmutzung in der DDR geheim halten und die Geheimpolizei half dabei.
Die Umweltbibliothek war ein Ort der Freiheit und des Wissens in einem Land mit vielen Regeln.
Junge Menschen konnten dort offen über ihre Sorgen zum Thema Umwelt und Regierung reden.
Fotografiert bei ihrer Verhaftung. V.l.n.r. Bodo Wolff, Till Böttcher, Bert Schlegel, Wolfgang Rüddenklau und Tim Eisenlohr.
BStU, MfS, HA XX, Fo, Nr. 59, Bild 12
Till Böttcher (damals 17 Jahre alt, gehörte später mit zum engeren Kreis der Drucker), Wolfgang Rüddenklau und Tim Eisenlohr (14).
BStU, MfS, HA XX, FO, Nr. 59, Bild 11
Während der Stasi-Razzia in der Umwelt-Bibliothek Nov 1987. Links Wolfgang Rüddenklau, einer der Mitbegründer der U-B. Rechts Tim Eisenlohr.
BStU, MfS, HA XX, Fo, Nr. 59, Bild 6